Am heutigen Tag stehen die Archivsysteme und deren Funktion und Aufbau im Mittelpunkt. Um ein Grundverständnis zur Arbeitsweise von Archiven zu erhalten wurden zunächst die für Archive relevanten Metadatenstandards angesprochen, bevor wir dann später in die Archivsysteme eintauchen werden.

Um Archivsysteme und die entsprechende Archivsoftware zu verstehen, ist es wichtig, sich die Funktion eines Archives vor Augen zu führen. Denn im Gegensatz zu einer Bibliothekssoftware, wie koha, mit der wir uns zuletzt befasst hatten, ist eine Archisoftware anders gebaut. In einer Bibliothek steht das Medium - von dem es sich in der Regel zudem nicht um ein auf lange Zeit zu erhaltendes Unikat handelt - im Mittelpunkt. In Archiven ist der Entstehungszusammenhang, die Provenienz, wichtig und dies spiegelt sich in der Archivsoftware wider. Es geht immer auch um den Kontext, der mit erhalten bleiben muss durch alle Stufen hinweg, vom ganzen Bestand bis hin zum einzelnen Dokument: Dabei ist nicht nur das Entstehungsdatum und Kontext beispielsweise eines Dokuments wichtig, sondern auch wie dieses ins Archiv gelangt ist und durch wen es aufgenommen wurde.

ISAD(G)

Einer der momentan noch die Schweizer Archivlandschaft prägendsten Standards ist ISAD(G) (International Standard Archival Descrition (General)). ISAD(G) besteht aus verschiedenen Verzeichnungselementen (Total 26) in den Bereichen Identifikation, Kontext, Inhalt und innere Ordnung, Zugangs- und Benutzungsbestimmungen, Sachverwandte Unterlagen, Anmerkungen, Kontrolle. Diese Verzeichnungselemente sind auf den verschiedenen Stufen (Archiv, Bestand, Serie, Dossier, Dokument) aufzunehmen. Nicht alle Verzeichnungselemente müssen zwingend aufgenommen werden, es gibt darunter aber einige empfohlene Elemente sowie Pflichtelemente. Pflichtelemente sind: Signatur, Titel, Entstehungszeitraum, Verzeichnungsstufe, Umfang, Provenienz (vgl. dazu die Schweizerische Richtlinie für die Umsetzung von ISAD(G).)

Einen Überblick über die Verzeichnungsstufen liefert die folgende Abbildung:

Abbildung Verzeichnungsstufen im Archiv Einfache Darstellung der Verzeichnungsstufen. Quelle: Schweizerische Richtlinie für die Umsetzung von ISAD(G), S. 8.

Der Standard ISAD(G) ist bereits in den 90er Jahren entstanden und orientierte sich, wie sich anhand des Aufbaus gut erkennen lässt, stark an den analogen archivarischen Gegebenheiten und Strukturen, die entsprechend auch in Archivsystemen und -softwares zu finden sind. Allerdings hat ISAD(G) einige Schwächen: Da er auf dem Prinzip der Verzeichnungsstufen basiert, die voneinander abhängen beziehungsweise auch in der Dateneingabe aufeinander aufbauen, braucht es immer alle Stufen und somit den Kontext, um einen Datensatz verstehen zu können – dies erschwert den Datenaustausch. Zudem ist wegen dieses stufenartigen Aufbaus entsprechend auch keine Darstellung von Beziehungen möglich. Und zuletzt fehlt dem Standard – aufgrund seines Alters – die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und der digitalen Langzeitarchivierung.

Abhilfe schaffen soll ein neuer Standard: RiC (Records in Context), welcher Linked-Data orientiert ist. Der Wechsel von ISAD(G) zu RiC wird allerdings mit einem Systemwechsel und somit einem grossen Aufwand verbunden sein. (Zu RiC werden wir voraussichtlich in der letzten Vorlesung noch eingehen.)

EAD

EAD (Encoded Archival Description) ist ein XML-Standard zur Beschreibung von Findmitteln. Es ist in erster Linie ein Austauschformat, um Daten mit anderen Archivsystemen auszutauschen. Wir werden EAD später noch in der praktischen Anwendung ansehen.

ArchivesSpace

ArchivesSpace ist eine Open-Source-Software für Archivinformationssysteme und ist spezifisch auf die archivarischen Gegebenheiten optimiert (beispielsweise Zugangsreche zu den Archivalien, Nutzungsrechte und Bereitstellung von Archivalien, Online-Katalog, optimiert auf grosse Mengen an Materialien in unterschiedlicher Form aber auch Verwaltung digitaler Objekte, Tools für die Gesamtplanung eines Archivs und vieles mehr). ArchivesSpace basiert unter anderem auf ISAD(G), aber auch auf DACS (ArchivesSpace ist US-Amerikanisch geprägt und optimiert). Für den Austausch stehen die Formate EAD, MARCXML und METS zur Verfügung.

Kurzer Exkurs zu Systemadministration und Installation von Software-Systemen. Hier im Kurs haben wir Koha und ArchivesSpace in derselben Umgebung und Server installiert. Das funktioniert für unsere Zwecke. Es sollte jedoch nicht so gemacht werden, sondern für jedes System ist jeweils eine eigene Umgebung zu wählen.

Die Installation von ArchivesSpace hat gut funktioniert und ging rasch – dank der ausführlichen Anleitung auf dem gemeinsamen Codi und weil auch nicht viele Befehle einzugeben waren. Das spezielle bei der Verwendung von ArchivesSpace ist, dass es in der Standardinstallation so eingestellt ist, dass ArchivesSpace nicht von selbst startet, sondern es muss jedesmal manuell gestartet werden. Das bedeutet, sobald das Terminal geschlossen wird, besteht keine Verbindung zum Server mehr und folglich ist auch ArchivesSpace, also die Webseite (host) im Browser nicht mehr zugänglich.
Nachtrag: Es geht in Linux auch ohne dass die Shell offen ist (mittels im Hintergrund laufenden Prozesses, sog. Daemon).

Übung zu ArchivesSpace

Der Auftrag lautet: Einfach mal intuitiv ausprobieren und in ArchivesSpace Datensätze erstellen, welche dann in der öffentlichen Ansicht unter localhost:8081 erscheinen.

Diese Übung fand ich nicht ganz einfach. Alleine Zuhause vor dem Laptop sitzend, hat mir die Rückmeldung und der Austausch mit anderen gefehlt – gerade letzteres wäre bestimmt sehr fruchtbar gewesen. Und so habe ich einfach mal herumprobiert in einer Mischung aus intuitiv und versuchtem geordneterem Zugang mittels des Dokuments ArchivesSpace Traininc Exercise: Create Your Own Record. Damit habe ich mir zumindest einen Einblick in das Aussehen und den Aufbau von ArchivesSpaces verschaffen können. Ein Datensatz nach allen Regeln der Archiv-Kunst und gemäss den Standards ist mir damit aber nicht gelungen. Ich habe verschiedenes herumprobiert, aber so ganz klar, was nun wo einzufüllen ist war mir dann doch oft nicht. Und dass dies, was ich tat, richtig ist, bezweifle ich stark. Wie auch immer, ich habe es versucht. Und habe mich durchprobiert und anhand der erscheinenden Fehlermeldungen versucht herauszufinden was wo noch fehlt. Hier ein Screenshot aus diesem Prozess des Ausprobierens:

Screenshot Eingaben in Archivesspace

Irgendetwas hat sich auf jedenfall schon getan, auch auf dem localhost:8081. Hier ein Screenshot eines Zwischenergebnisses:

Screenshot eines Records

Doch trotz meines (teilweise) Misserfolgs in dieser Übung erscheint mir ArchivesSpace durchaus ein System, welches gut zu handhaben und einzusetzen ist und in gewissem Sinne schon auch intuitiv – zumindest mit einer gewissen Erfahrung im Bereich der Archive.

Nachtrag: Die erneute Besprechung von ArchivesSpace an Tag 5 hat mir recht weitergeholfen. Ein wertvoller Tipp: Via Browse gelangt man zu den verschiedenen Ebenen:

Navigations-Menüs in ArchivesSpace

Am nächsten Vorlesungstag (Tag 5) wird es weitergehen mit ArchivesSpace.